- Was ist eine Adduktorenzerrung?
- Symptome: Wie bemerkt man eine Adduktorenzerrung?
- Ursachen: Wie entsteht eine Adduktorenzerrung?
- Behandlung: Was tun bei Adduktorenzerrung?
- Übungen bei Adduktorenzerrung
- Häufige Patientenfragen zur Adduktorenzerrung an Prof. Dr. Sven Ostermeier von der Gelenk-Klinik

Eine Adduktorenzerrung ist eine häufige Sportverletzung, die meist plötzlich auftritt und starke Schmerzen in der Leistengegend verursachen kann. Besonders oft betroffen sind Fußballer, Hockeyspieler oder Läufer – also Sportarten, bei denen schnelle Richtungswechsel und plötzliche Bewegungen gefragt sind. Etwa 70 % aller Fußballspieler haben während der Saison Leistenbeschwerden.
Diese Art der Verletzung ist in der Regel harmlos, aber schmerzhaft und sollte nicht unterschätzt werden. Mit der richtigen Behandlung und ausreichend Geduld heilt sie in den meisten Fällen vollständig aus – und das ohne bleibende Schäden.
Was ist eine Adduktorenzerrung?
Die Adduktoren sind eine Muskelgruppe an der Innenseite des Oberschenkels. Ihre Aufgabe ist es, das Bein zur Körpermitte hin zu ziehen. Bei einer Adduktorenzerrung kommt es zu einer Überdehnung oder teilweisen Verletzung dieser Muskeln – meist durch eine plötzliche, unkontrollierte Bewegung. Es handelt sich um eine sogenannte Muskelzerrung – also eine Verletzung ohne vollständigen Muskelriss. Dabei entsteht im Gewebe eine Minderdurchblutung, die einen Schmerzreiz aussendet. Häufig ist der Muskelbauch von einer solchen Verletzung betroffen.

Symptome: Wie bemerkt man eine Adduktorenzerrung?
Typische Anzeichen einer Adduktorenzerrung sind:
- plötzlicher, ziehender Schmerz an der Innenseite des Oberschenkels oder in der Leiste,
- Bewegungseinschränkung, besonders beim Zusammenführen der Beine,
- Schmerzen beim Gehen oder Treppensteigen,
- manchmal leichte Schwellung oder ein Druckgefühl an der Innenseite des Oberschenkels und
- in schweren Fällen auch Blutergüsse (selten).
Besonders deutlich wird die Zerrung oft beim Versuch, aktiv das Bein an den Körper heranzuziehen.
Ursachen: Wie entsteht eine Adduktorenzerrung?
Eine Adduktorenzerrung entsteht in der Regel durch eine plötzliche, unkontrollierte Bewegung ohne äußere Gewalteinwirkung, bei der die Muskeln an der Innenseite des Oberschenkels überdehnt werden. Besonders gefährdet sind Sportarten wie Fußball, Eishockey oder Tennis, für die schnelle, häufige Richtungswechsel, abrupte Stopps oder explosive Bewegungsabläufe typisch sind. Allein bei den Fußballern betreffen 23 % der Muskelverletzungen die Leistenregion.
Auch unzureichendes Aufwärmen vor dem Sport erhöht das Risiko, da kalte Muskeln weniger dehnbar und somit anfälliger für Verletzungen sind. Darüber hinaus können muskuläre Dysbalancen – also ein Ungleichgewicht zwischen den Adduktoren und ihren Gegenspielern – zu einer Überlastung führen. Ebenso begünstigen vorangegangene Überbeanspruchungen oder eine zu kurze Regenerationszeit nach dem Training sowie Ermüdung die Entstehung einer Zerrung.
Ein hohes Risiko tragen zudem Menschen, die eine Sportart neu erlernen und denen die entsprechende Bewegungskoordination noch fehlt. In vielen Fällen ist es eine Kombination aus mehreren dieser Faktoren, die letztlich zur Verletzung führt.

Behandlung: Was tun bei Adduktorenzerrung?
Zunächst gilt: Schonung ist das A und O. Bei einer frischen Adduktorenzerrung orientieren sich die ersten Maßnahmen zur Selbsthilfe an der PECH-Regel:
- Pause: Sie sollten den Muskel nicht mehr belasten, damit sich die Verletzung nicht verschlimmert.
- Eis: Kühlen wirkt schmerzlindernd, abschwellend und soll die Einblutung ins Gewebe verringern. Achten Sie darauf, dass die Kühlkompressen nicht direkt auf der Haut liegen.
- Compression: Ein leichter Druckverband kann helfen, eine Einblutung in das Gewebe und eine übermäßige Schwellung zu verhindern.
- Hochlagern: Lagern Sie die verletzte Extremität hoch, um den Abfluss von Schwellungen zu fördern.
Schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente oder kühlende Salben (z. B. mit Diclofenac) helfen zusätzlich – idealerweise nach Rücksprache mit einem Arzt.
Ab dem ersten Tag nach der Verletzung können antiphlogistische und physikalische Therapiemaßnahmen durchgeführt werden, die den Stoffwechsel anregen und Schmerzen lindern.
Ab Tag 2 kommen zudem Maßnahmen wie dynamische Mobilisationsübungen oder Wärmeanwendungen im Rahmen der Thermotherapie zum Einsatz. Nach der akuten Phase unterstützt gezielte Physiotherapie die Heilung und beugt einem Rückfall vor.
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Übungen bei Adduktorenzerrung
Der folgende Übungsblock beinhaltet zwei einfache, eine mittelschwere und eine anspruchsvolle Übung. Ziel ist es, die Adduktoren progressiv zu kräftigen, ihre Beweglichkeit zu erhalten und die funktionelle Belastbarkeit im Alltag und Sport zu verbessern.
Alle Übungen sollten ausschließlich schmerzfrei und kontrolliert durchgeführt werden. Bei akuten Beschwerden, Bewegungseinschränkungen oder strukturellen Problemen ist vorab eine ärztliche oder therapeutische Abklärung erforderlich. Die Belastung wird je nach Rehabilitationsphase, Trainingsstand und individueller Verträglichkeit angepasst.
Trainingsfrequenz:
2–3 Einheiten pro Woche
Allgemeine Belastungsempfehlung:
- Sätze: 2–3 pro Übung
- Wiederholungen/Haltezeit: abhängig von Übungsart (siehe unten)
- Pausen: 30–60 Sekunden zwischen den Sätzen
- Steigerung: über Bewegungsausmaß, Wiederholungen, Haltezeit oder Zusatzgewicht
Übung 1: Ball Squeeze in Rückenlage (isometrisch, einfach)
In Rückenlage werden die Beine angewinkelt, ein kleiner Ball oder ein Kissen wird zwischen die Knie geklemmt. Die Knie werden aktiv zusammengepresst, während der restliche Körper entspannt bleibt.
- Belastung: 3-mal 40–60 Sekunden durchgehendes Halten, ohne Zwischenpausen.
- Ziel: konstante isometrische Aktivierung der Adduktoren, besonders des M. adductor longus.
Übung 2: Frog Stretch (Mobilisation, einfach)
Aus dem Vierfüßlerstand werden die Knie seitlich auseinandergeführt, die Füße zeigen nach außen. Das Becken wird langsam nach hinten geschoben, bis eine Dehnung an der Oberschenkelinnenseite spürbar ist.
- Haltezeit: 3×40–60 Sekunden, ruhig und gleichmäßig atmen
- Ziel: Verbesserung der Beweglichkeit der Adduktorengruppe, Förderung der Gewebedurchblutung.
Übung 3: Adduktor-Slides mit Gleitpad (exzentrisch-konzentrisch, mittelschwer)
Im aufrechten Stand gleitet ein Bein seitlich auf einem Gleitpad oder Handtuch kontrolliert vom Körper weg, während das andere Bein die Belastung trägt. Die Bewegung erfolgt langsam, mit Fokus auf Stabilität im Rumpf. Anschließend wird das gleitende Bein aktiv in die Ausgangsposition zurückgeführt.
- Wiederholungen: 8–12 pro Seite, langsam und kontrolliert
- Sätze: 2–3
- Ziel: gezielte exzentrische Kräftigung der Adduktoren bei gleichzeitiger Rumpfstabilisierung
Übung 4: Copenhagen Plank (isometrisch/dynamisch, anspruchsvoll – mit Einschränkung)
Diese Übung wird in Seitenlage durchgeführt. Das obere Bein wird auf eine Bank oder eine Erhöhung gelegt, während das untere Bein frei bleibt. Der Körper wird aus der seitlichen Rumpfmuskulatur heraus in eine gerade Linie gehoben und gehalten (statisch) oder kontrolliert abgesenkt und wieder angehoben (dynamisch).
Wichtiger Hinweis: Die Copenhagen Plank ist eine sehr fordernde Übung mit hoher Belastung auf die Adduktoren und kniegelenksnahe Strukturen. Sie sollte nur bei vollständiger Schmerzfreiheit und ausreichender Rumpf- und Beinachsenstabilität durchgeführt werden. Eine schrittweise Heranführung (z. B. mit kürzerem Hebel oder Unterstützung) ist dringend empfohlen.
- Statisch: 30–60 Sekunden Haltezeit pro Seite, 2–3 Sätze
- Dynamisch: 8–12 Wiederholungen pro Seite, 2–3 Sätze
- Ziel: hohe neuromuskuläre Aktivierung der Adduktoren, Verbesserung der Becken- und Rumpfstabilität
Anwendung im Trainingsalltag
Die Übungen können entweder als eigenständige Einheit 2–3 Mal pro Woche durchgeführt oder gezielt in bestehende Trainingseinheiten integriert werden. Besonders geeignet ist die Anwendung:
- integriert in das allgemeine Kraft- oder Athletiktraining (Kraft vor Beweglichkeit),
- an Regenerationstagen (z. B. Ball Squeeze oder Frog Stretch einzeln) oder
- im Aufbautraining nach Adduktorenzerrung, beginnend mit den einfachen Übungen.
Pro Einheit können zwei bis drei Übungen kombiniert werden. Entscheidend ist eine regelmäßige, kontrollierte Durchführung mit schrittweiser Belastungssteigerung. Bei anhaltenden Beschwerden sollte die Belastung reduziert und ggf. therapeutischer Rat eingeholt werden.
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Wann darf man nach einer Adduktorenzerrung wieder Sport machen?
Das hängt vom Schweregrad ab. In leichten Fällen kann man bereits nach 2 Wochen langsam wieder starten. Bei stärkeren Zerrungen sollte man mit dem Sport mindestens 4 Wochen warten und erst nach völliger Schmerzfreiheit und ausreichender Dehnung wieder einsteigen. Vor allem mit sehr belastenden Sportarten sollten Sie so lange warten, bis die Beschwerden komplett verschwunden sind. Belastet man den Muskel zu früh, ist die Gefahr einer erneuten Verletzung sehr hoch. Sprechen Sie am besten mit Ihrem behandelnden Arzt, wann in Ihrem Fall der Wiedereinstieg in den Sport ratsam ist.
Welche Salbe hilft bei einer Adduktorenzerrung?
Gut geeignet sind kühlende, entzündungshemmende Salben mit Wirkstoffen wie Diclofenac oder Ibuprofen. Sie lindern Schmerzen und unterstützen den Heilungsverlauf. Auch Salben und Gels mit Inhaltsstoffen auf Pflanzenbasis wie z. B. Arnica helfen bei solchen Verletzungen. Bei Unsicherheit fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Wie lange dauert eine Adduktorenzerrung?
Die Dauer der Heilung nach einer Adduktorenzerrung ist individuell verschieden. Bei sehr leichten Verletzungen reichen 1 bis 2 Wochen aus. In schweren Fällen kann die Heilungsdauer einer Adduktorenzerrung auch mehrere Monate betragen. Ein wichtiger Indikator für den Fortschritt der Heilung sind dabei die Schmerzen. Treten Schmerzen auf, ist die Heilung des betroffenen Muskels noch nicht abgeschlossen und Sie sollten sich weiter schonen.
Welcher Arzt hilft bei einer Adduktorenzerrung?
Bei einer Adduktorenzerrung ist ein Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin der richtige Ansprechpartner. Diese Fachärzte sind auf Muskelverletzungen spezialisiert und können die Schwere der Zerrung einschätzen, eine geeignete Behandlung empfehlen und bei Bedarf Physiotherapie verordnen.
Kann man eine Adduktorenzerrung tapen?
Ja, ein Kinesiotape oder Sporttape kann unterstützend wirken – es stabilisiert den Muskel, ohne ihn komplett ruhigzustellen. Am besten lässt man sich vom Physiotherapeuten zeigen, wie man richtig benutzt.
Was tun, wenn die Adduktorenzerrung nicht weggeht?
Wenn die Beschwerden einer Adduktorenzerrung über mehrere Wochen anhalten oder sich die Symptome sogar verschlimmern, sollten Sie unbedingt einen Arzt aufsuchen. Möglicherweise liegt eine schwerere Muskelverletzung oder ein Sehnenproblem vor. Eine gezielte Diagnostik ist dann entscheidend.
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