1. Was ist die mikrochirurgische Dekompression?
  2. Wann kommt die mikrochirurgische Dekompression zum Einsatz?
  3. Welche Vorteile bietet das Verfahren?
  4. Wie läuft die mikrochirurgische Dekompression ab?
  5. Welche Nachkontrollen sind erforderlich?
  6. Häufig gestellte Fragen an Wirbelsäulenchirurg PD Dr. Kubosch von der Gelenk-Klinik
Wirbelsäulenchirurg im Operationssaal Mithilfe eines speziellen Operationsmikroskops kann der Wirbelsäulenchirurg störendes Gewebe im Spinalkanal genau identifizieren und mit feinsten Instrumenten entfernen. © Vadim, Adobe

Eine mikrochirurgische Dekompression kommt in Frage, wenn es im knöchernen Wirbelkanal eng wird und darin verlaufende Nervenwurzeln oder Nervenbahnen unter Druck geraten sind (Radikulopathie). Mögliche Folgen dieser Kompression sind z. B. Schmerzen in den Beinen, die sich beim Gehen verstärken, oder Empfindungsstörungen wie Taubheitsgefühle und Kribbeln in den Füßen. Die Beschwerden können akut auftreten (wie z. B. beim Bandscheibenvorfall) oder sich wie bei einer Spinalkanalstenose schleichend entwickeln. Um solchermaßen eingeengte (komprimierte) Nerven zu befreien, hat sich die mikroskopisch-gestützte minimalinvasive Nervenentlastung, auch mikrochirurgische Dekompression genannt, bewährt.

Was ist die mikrochirurgische Dekompression?

Bei einer mikrochirurgischen Dekompression wird durch Entfernung von störendem Gewebe Druck von den komprimierten, d.h. eingeengten Nerven oder Nervenwurzeln genommen. In der Regel benutzt man dabei zur besseren Sicht ein Mikroskop, deshalb spricht man auch von einer mikroskopisch-unterstützten Dekompression.

Das dafür verwendete, hochleistungsfähige Operationsmikroskop ermöglicht durch seine Spezialoptik einen optimal beleuchteten, dreidimensionalen und auch vergrößerten Blick auf das Operationsgebiet. Im Fall der Wirbelsäule führt der Operateur Mikroskop und feinste Instrumente über einen kleinen Zugang in den Wirbelkanal ein. Dort kann er unter bester Sicht den Schaden inspizieren und störendes Gewebe entfernen. Dabei handelt es sich z. B. um

Verschwindet die Druckursache, haben die Nerven wieder mehr Platz und werden nicht mehr komprimiert. Schmerzen und Empfindungsstörungen lassen meist schnell nach, und auch eine bei Spinalkanalstenose reduzierte Gehstrecke wird wieder länger.

Das Besondere an der mikroskopisch-gestützten mikrochirurgischen Dekompression ist die gute Kontrolle des Operationsgebietes durch das Mikroskop. Die Strukturen werden in Rundumsicht und vergrößert dargestellt, wodurch der Operateur Schäden oder degenerative Veränderungen im hellen Lichtkegel ausgezeichnet erkennen kann.

Wann kommt die mikrochirurgische Dekompression zum Einsatz?

Eingesetzt wird die mikrochirurgische Dekompression vor allem bei Bandscheibenvorfällen und Spinalkanalstenosen im Lendenwirbelsäulenbereich, aber auch in allen Bereichen der Halswirbelsäule.

Beim akuten Bandscheibenvorfall kann der Wirbelsäulenchirurg durch das Mikroskop den Schaden an der Bandscheibe genau identifizieren. Mit Fasszangen oder einer Art Sauger entfernt er das aus dem Bandscheibenkern ausgetretene Gewebe.

Bei einer Spinalkanalstenose erweitert der Operateur den krankhaft verengten Spinalkanal. Dazu trägt er unter mikroskopischer Kontrolle verdickte Strukturen und Verkalkungen, manchmal auch Knochenanbauten ab.

Welche Vorteile bietet das Verfahren?

Die mikroskopisch-gestützte Dekompression bietet im Vergleich zu herkömmlichen Operationsverfahren etliche Vorteile.

  • Es genügen sehr kleine Zugänge, bei denen nur minimal Knochen oder Gewebe abgetragen werden muss.
  • Durch den minimalinvasiven Zugang kommt es zu weniger Blutverlust bei der Operation und die Infektionsgefahr ist geringer.
  • Wunden verheilen schneller und mit weniger Narbenbildung als bei konventionellen Operationen.

In der Folge sind nach der mikrochirurgischen Dekompression nicht nur die postoperativen Schmerzen meist weniger stark ausgeprägt als nach einem konventionellen Eingriff. Der Betroffene kommt in der Regel auch schnell wieder auf die Beine.

Wie läuft die mikrochirurgische Dekompression ab?

Minimalinvasiver Zugang bei mikrochirurgischer Dekompression. Der Patient liegt bei der mikrochirurgischen Dekompression auf dem Bauch. Hier wurde das minimalinvasive Zugangssystem direkt über einem Bandscheibenvorfall platziert, um den Vorfall mithilfe des Mikroskops zu identifizieren und zu entfernen. © Gelenk-Klinik

Bei der minimalinvasiven mikrochirurgischen Dekompression befindet sich der auf dem Bauch liegende Patient in Vollnarkose. Der Chirurg wählt einen passenden Zugang (direkt über dem Vorfall bei Bandscheibenvorfall, etwas seitlich der Wirbelsäule bei der Spinalkanalstenose) und führt über einen kleinen Hautschnitt Optik und Instrumente ein.

Je nach Befund wird das störende Gewebe, z. B. die Gallertmasse beim Bandscheibenvorfall, unter Sicht entfernt. Auch verdicktes Gewebe oder Knochenanbauten bei Spinalkanalstenose trägt der Wirbelsäulenchirurg mithilfe kleinster Instrumente vorsichtig ab.

Die Dauer der Operation variiert individuell. Das Erweitern einer Spinalkanalstenose oder Entfernung eines Bandscheibenvorfalles benötigt pro Segment etwa 30 Minuten. Nach dem Eingriff kommt der Patient für einige Stunden in den Aufwachraum, wo er durch geschultes Personal und mithilfe von Monitoren überwacht wird. Ist alles in Ordnung, wird er auf die Normalstation verlegt, wo er wieder auf dem Rücken liegen kann.

Bei Schmerzen verordnen die Ärzte leichte Schmerzmittel. Damit sich durch das Liegen keine Thrombose entwickelt, bekommt der Patient eine Thromboseprophylaxe in Form von täglichen, subkutan Heparinspritzen. Zusätzlich trägt der Patient Thrombosestrümpfe.

Nach einer mikrochirurgischen Bandscheibenoperation verbleibt der Patient etwa 2-3 Tage auf der Normalstation, nach mikrochirurgischer Erweiterung einer Spinalkanalstenose ebenfalls. Währenddessen wird er nach einem speziell für ihn maßgeschneiderten Schema mobilisiert. Dem Aufenthalt in der Klinik schließt sich eine Rehabilitation an. Diese erfolgt je nach Befund, Operation und Patientenwunsch entweder ambulant oder stationär.

Welche Nachkontrollen sind erforderlich?

Die erste Kontrolluntersuchung zur Wundinspektion findet nach einer Woche beim Wirbelsäulenchirurgen oder beim Hausarzt statt. Sechs Wochen nach der Operation wird die Abschlusskontrolle beim Chirurgen durchgeführt. Tauchen Fragen oder Probleme auf, sollte der Betroffene schon vorher einen Termin ausmachen.

In dringenden Fällen (red flags) muss man sofort Kontakt mit dem behandelnden Arzt bzw. der Klinik aufnehmen. Dazu gehören

  • alle neu auftretenden Gefühlsstörungen in den Beinen
  • zunehmende Schmerzen trotz Schmerzmedikamenten
  • streifenförmige Schmerzen an den Beinen
  • Blasen- und Mastdarmstörungen
  • hohes Fieber
  • Wundheilungsstörungen

Häufige Patientenfragen an Wirbelsäulenchirurg PD Dr. Kubosch von der Gelenk-Klinik

Wie lange ist man nach einer mikrochirurgischen Dekompression krankgeschrieben?

Die Dauer der Krankschreibung hängt von vielen Faktoren ab. Dazu gehören das Ausmaß des Eingriffs, der Heilungsprozess und nicht zuletzt die Art der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen. Je nach individuellem Fall sind die Patienten etwa vier bis sechs Wochen arbeitsunfähig.

Ist Duschen und Baden nach der OP erlaubt?

Solange die Wunde noch nicht verheilt und das Klebpflaster nicht entfernt ist, ist vorsichtiges Duschen nur mit einem Duschpflaster erlaubt. Nach Entfernung der Fäden darf wieder normal geduscht werden. Die Badewanne sollte man allerdings aufgrund der für die Wunde ungünstigen Sitzposition besser für sechs Wochen meiden.

Muss ich eine Bandage tragen?

Das Tragen einer Bandage ist nach dem Eingriff in der Regel nicht erforderlich.

Welche Bewegungen sind im Alltag zu vermeiden?

Alles, was schmerzt, sollte unterlassen werden. Zur Entlastung der Wirbelsäule sollte man Stehen, Gehen, Sitzen, Liegen (auf der Seite oder auf dem Rücken) immer wieder abwechseln und nicht zu lange in einer Position verharren.

Beugen und Verdrehen der Lendenwirbelsäule ist in den ersten sechs Wochen nach der Operation verboten, ebenso das Tragen von mehr als 5 kg.

Wann kann man wieder mit Sport anfangen?

Sofort erlaubt (je nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt in den ersten Wochen eventuell mit Bandage) sind Spazierengehen und Wandern. Auch Radeln auf dem Heimtrainer darf man sofort nach Entlassung, wobei man jedoch langsam und vorsichtig beginnen sollte.

Nach vier bis sechs Wochen darf ist Nordic Walking erlaubt, nach acht Wochen darf man vorsichtig mit dem Joggen anfangen.

Sechs Monate lang verboten sind Sportarten, bei denen die Wirbelsäule starken Erschütterungen oder Drehungen ausgesetzt ist. Dazu gehören z. B. Squash, Tennis, Golf und Skifahren.

Wann darf man nach einer mikrochirurgischen Dekompression wieder selbst Auto fahren?

Selbst ein Auto zu lenken ist für etwa vier Wochen tabu. Dabei hat das letzte Wort der behandelnde Arzt. Mit ihm kann man bei der medizinischen Kontrolle besprechen, ob und wann das Autofahren wieder aufgenommen werden kann.

Literatur
  • Greiner-Perth, R., Boehm, H., ElSaghir, H., & El Ghait, A. (2002). Der mikroskopisch assistierte perkutane Zugang zur dorsalen Wirbelsäule-ein neues minimalinvasives Verfahren zur Behandlung von Wirbelsäulenprozessen. Zentralblatt für Neurochirurgie, 63(01), 7-11.
  • Korge, A., Mehren, C., & Ruetten, S. (2019). Minimally invasive decompression techniques for spinal cord stenosis. Der Orthopäde, 48, 824-830.
  • Rieger, B., Sitoci-Ficici, K. H., Reinshagen, C., Molcanyi, M., Pinzer, T., Brautferger, U., & Schackert, G. (2019). Endoskopischer versus mikroskopischer translaminärer Crossover Zugang für die effektive lumbale Dekompression bei älteren Patienten. Die Wirbelsäule, 3(01), P-30.
  • Schunck, J. (2019). Mikrochirurgische Bandscheibenoperation. Minimalinvasive Wirbelsäulenintervention, 221-226.
  • Zhang, J., Liu, T. F., Shan, H., Wan, Z. Y., Wang, Z., Viswanath, O. & Wang HQ. (2021). Decompression using minimally invasive surgery for lumbar spinal stenosis associated with degenerative spondylolisthesis: a review. Pain and Therapy, 10, 941-959.