1. Bandscheibenprothese: bewegliche Wirbelsäule trotz Bandscheibendegeneration
  2. Wem kann die Bandscheibenprothese helfen?
  3. Vorteile der Bandscheibenprothese gegenüber der Wirbelsäulenversteifung
  4. Risiken der künstlichen Bandscheibe
  5. Kontraindikationen: Wann ist die Bandscheibenprothese nicht möglich?
  6. Rehabilitation und Prognose der Bandscheibenprothese
Beweglichkeit der Wirbelkörper der Wirbelsäule in jede Richtung Die Beweglichkeit der Wirbelkörper der Wirbelsäule erfolgt in jede Richtung (Vorwärts-Rückwärts, Seitwärts, Rotation in vertikaler und horizontaler Richtung, Scherbewegungen der Wirbelkörper). Jeder Eingriff in diese Dimensionen der Beweglichkeit, sei es durch Versteifung, oder ein Implantat mit weniger Bewegungsspielraum, sorgt langfristig für eine zusätzliche Belastung des Systems Wirbelsäule. © Spinal Kinetics

Bei deutlicher Degeneration und Funktionsverllust der Bandscheibe wird seit mehreren Jahrzehnten die Versteifung der Wirbelsäule mit Fusion der Wirbelkörper durchgeführt. Die Versteifung (Spondylodese) ist noch immer die Standardbehandlung nach Bandscheibendegeneration.

Spondylodese versteift das Segment

Die Spondylodese ist ein vielen Fällen eine wirksame Therapie, um Rückenschmerzen wegen Bandscheibenverschleiß dauerhaft zu therapieren. Nach Entfernung der abgenutzten Bandscheibe ist die Beweglichkeit in diesem Segment aber aufgehoben. Daher wird das zuvor bewegliche Segment durch versteifende Implantate ganz unbeweglich gemacht, um den schmerzhaften Druck auf die Nervenwurzeln und Rückenmark zu reduzieren.

Hebelwirkung durch Versteifung vermeiden

Erfolgskriterien der Therapie

Die Versteifung hat sich seit vielen Jahrzehnten bewährt und stellt Rücken-Patienten nach entsprechend genauer Voruntersuchung eine erhebliche Beschwerdebesserung in Aussicht.

Der steife Abschnitt in dem hochbeweglichen System der Wirbelsäule ändert jedoch die Kraftübertragung innerhalb des Rückgrates. Die resultierende Hebelwirkung überlastet und verschleißt potentiell als nächstes die Bandscheiben in den benachbarten Segmenten (Anschlussdegeneration).

Hier soll sich die Bandscheibenprothese mit dem theoretischen Vorteil der bewegungserhaltenden Therapie in Zukunft als bessere Behandlungsmöglichkeit erweisen. Die Bandscheibenprothese muss sich aber, was Wirksamkeit und Komplikationsmöglichkeiten betrifft, mit der Spondylodese als sog. Goldstandard bei der Therapie lumbalen und zervicalen Rückenschmerzen der Bandscheibendegeneration messen.

Mögliche Nachteile der Versteifung der Wirbelsäule gegenüber einer Bandscheibenprothese

Mögliche Nachteile der Versteifung von Wirbelkörpern

  • Aufhebung der Beweglichkeit
  • Erhöhung der Belastung der Bandscheiben in benachbarten Segmenten
  • Resultierende Anschlussinstabilität der Nachbarsegemente
  • Verschiebung der Bandscheiben-Degeneration und der resultierenden Beschwerden in benachbarte Segmente der Wirbelsäule

Die Versteifung von Segmenten der Wirbelsäule kann aber auch Nebenwirkungen haben.

Die Wirbelsäule ist ein in sich hochbewegliches und dynamisches System. Die Wirbelkörper sind auf vielen Ebenen gegeneinander beweglich. Dazu gehören Beugung, Strecken und Verdrehung (Torsion) sowie Scherbewegungen (seitliche Verschiebung).

Kann die komplexe Funktion der Bandscheibe ersetzt werden?

M6-L Bandscheibenprothese der neuen Generation Bandscheibenprothesen müssen die natürliche Dynamik der Wirbelsäule - also alle Bewegungsmodalitäten - unterstützen © Spinal Kinetics

Die Bandscheibe stellt für die Wirbelkörper Beweglichkeit in alle Dimensionen des Raumes her. Die Prothese muss das auch ermöglichen, sonst wird die Dynamik der Wirbelsäule gestört. Bandscheibenprothesen dürfen die natürliche Dynamik der Wirbelsäule daher nicht stören. Das stabile Fasergeflecht simuliert den biologischen Gallertkern: es fördert Beweglichkeit und Stabilität in jeder Dimension Das stabile Fasergeflecht simuliert die biologischen Bandscheibenhülle (annululus): Es fördert Beweglichkeit und Stabilität der Bandscheibe in jeder Bewegungsrichtung © Spinal Kinetics

Sie müssen Beweglichkeit in jeder Dimension erlauben, um die Wirbelsäulenfunktion optimal zu unterstützen und selbst haltbar und dauerhaft zu sein. Deswegen haben moderne Bandscheibenprothesen einen beweglichen Kern, der analog zur biologischen Bandscheibe alle Bewegungsrichtungen unterstützt, aber über Jahrzehnte stabil funktionieren soll. Dieser Kern unterstützt Zug, Druck, Rotation, Scherkräfte, wenn Wirbelkörper seitwärts verschoben werden. Jede Einschränkung der Beweglichkeit senkt die Haltbarkeit der Prothese selbst, weil Prothesenverschleiß und Lockerung drohen. Das wurde bei der Konstruktion und den Materialien moderner Bandscheibenprothesen besonders berücksichtigt.

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Verbesserung Anschlussdegeneration nach Versteifung: Eine theoretische Messgröße

Der Vorteil einer beweglichen Versorgung in einem naturgemäß beweglichen System ist zwar intuitiv. In der Praxis gibt es aber noch wenig wissenschaftliche Belege, dass die bewegliche Versorgung mit der Bandscheibenprothese im Vergleich zur bewährten Versteifung tatsächlich klinische Vorteile bringt. Auch die Vermeidung der Anschlussdegeneration in benachbarten Segmenten ist bisher eine biomechanisch zwar plausible Annahme, wurde aber auf Grund der noch kurzen Standzeiten der Bandscheibenprothesen klinisch noch nicht wirklich schlüssig nachgewiesen.

Vorteile in der Versorgung jüngerer Patienten

Die deutlichsten Vorteile sehen wir in der dynamischen Versorgung jüngerer, aktiver Patienten. Bei dieser Patientengruppe kann die dynamische Bandscheibenprothese die theoretisch zu erwartenden Vorteile am deutlichsten zeigen. Das ist aber eine relativ kleine Patientengruppe. Bei den überwiegend älteren Patienten mit Bandscheibendegenration ist die altersgemäße Versteifung der Wirbelsäule soweit vorangeschritten, dass die Prothese wenig zusätzliche Vorteile bringt.