- Ablauf: Was passiert bei der Stoßwellentherapie?
- Wirkungsweise der Stoßwellentherapie (ESWT)
- Verschiedene Arten von Stoßwellen
- Wann wird die Stoßwellentherapie angewendet?
- Nebenwirkungen der Stoßwellentherapie
- Wann darf die Stoßwellentherapie nicht angewendet werden?
- Nachbehandlung und Ergebnisse der Stoßwellentherapie
- Kosten und Erstattung der Stoßwellenbehandlung
Die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) bietet eine konservative Möglichkeit für die Behandlung verschiedener orthopädischer Erkrankungen. Stoßwellen sind energiereiche Wellen, die Wasser und Weichteilgewebe durchdringen können. Trifft eine Stoßwelle auf einen Festkörper wie zum Beispiel Kalkablagerungen in einer Sehne, entlädt sie ihre Energie. Auf diese Weise können verschiedene Arten von Sehnenentzündungen wie die Achillessehnenentzündung (Achillodynie), Tennisellenbogen und Golferarm ohne Operation erfolgreich behandelt werden. Auch bei schlecht heilenden Knochenbrüchen, einem Fersensporn mit Plantarsehnenentzündung oder bei einer Kalkschulter (Tendinosis calcarea) kommt das Stoßwellen-Verfahren erfolgreich zum Einsatz.
Ablauf: Was passiert bei der Stoßwellentherapie?
Die Stoßwellentherapie wird ambulant durchgeführt. Nach der Lagerung des Patienten in stabiler Position erfolgt bei Bedarf eine örtliche Betäubung. Anschließend richtet der Therapeut den Fokus des Stoßwellengeräts auf die zu behandelnde Stelle aus. Die Stoßwellen werden dann über den Kopf des Gerätes mit einer Frequenz von 2–4 Hertz mit zunehmender Energie in den Körper übertragen. Dabei verspürt der Patient in erträglichem Rahmen Schmerzen, selbst unter Lokalanästhesie. Der behandelnde Arzt achtet während der gesamten Stoßwellen-Behandlung auf die Schmerzbelastung. Sollten die Schmerzen für den Patienten zu stark werden, reduziert der Arzt die Energie der Wellen oder unterbricht die Behandlung.
Der Kopf des Stoßwellengerätes enthält Wasser, das die Stoßwellen durch die Haut in das Körperinnere überträgt. Eine einzelne Behandlung mit einem Stoßwellengerät dauert je nach Anwendung 5 bis 15 Minuten. In der Regel behandelt man mit 1 bis höchstens 3 Sitzungen im Abstand von 2–4 Wochen. Pro Sitzung werden zwischen 1.000 und 2.000 Stoßwellen verabreicht. Eine Ausnahme ist die Pseudarthrose (Bildung eines falschen Gelenks), deren Behandlung je nach Fall ganz unterschiedlich verlaufen kann.
Wirkungsweise der Stoßwellentherapie (ESWT)
Nutzen für den Körper:
- Förderung des Knochenwachstums
- Förderung der Durchblutung (Vaskularisierung)
- Bildung von Wachstumsfaktoren
- Gewebeneubildung und Regeneration
- Förderung der Wundheilung
- Linderung von Schmerzsyndromen
- Verkürzung der Rehabilitationszeiten
Die Wirksamkeit der Stoßwellentherapie wurde inzwischen in vielen wissenschaftlichen Studien nachgewiesenen. Molekularmedizinische Untersuchungen haben gezeigt, dass Stoßwellen im Knochengewebe die Bildung von Knochenwachstumsfaktoren fördern. Diese Hormone bewirken als Signal im Gewebe die Bildung neuer Knochenzellen.
Wie funktioniert die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT)?
Stoßwellen sind kurze, energiereiche mechanisch-akustische Wellen, die Wasser oder wasserhaltige Gewebe ohne Abschwächung durchdringen können. Auch elastische Körpergewebe – dazu gehören Muskeln und Fettgewebe – leiten die Stoßwellen weiter. Erst, wenn die Stoßwelle auf feste Gewebebestandteile trifft – Nierensteine, Gallensteine oder Kalkablagerungen in Sehnen – entlädt sich die in ihr enthaltene Energie. Sie bewirkt eine mechanische Zertrümmerung der Fremdkörper.
Stoßwellen werden außerhalb des menschlichen Körpers mit einem Gerät erzeugt. Durch ein wassergefülltes Kissen werden sie in den Körper übertragen. Dabei bündelt der Therapeut die Energie der übertragenen Wellen auf einen Wirkort, ähnlich wie mit Licht in einem Brennglas. So entfalten Stoßwellen ihre Wirkung genau im erkrankten Bereich. Andere Gewebe soll die Stoßwelle selektiv nicht erreichen. Dieser Fokus lässt sich genau berechnen. Man richtet die Stoßwellenwirkung exakt auf die gewünschte Zone aus, um Nebenwirkungen zu vermeiden.
Stoßwelle (ESWT) als schonende Alternative zu vielen Operationen
Seit etwas mehr als zehn Jahren steht in der Gelenk-Klinik mit der Stoßwellentherapie eine neue Therapieform zur Verfügung, die in vielen Fällen eine schonende Behandlung von Entzündungen, Verkalkungen oder Verletzungen verspricht. Die Stoßwellentherapie hat zudem praktisch keine Nebenwirkungen und macht viele Operationen unnötig.
Am Wirkmechanismus der Stoßwellentherapie wird intensiv geforscht. Die klinische Wirksamkeit der Stoßwelle ist eindeutig in vielen Studien nachgewiesen. Sie verändert das Milieu des behandelten Gewebes und kann die Regeneration durch Ausschüttung von heilungsfördenden Botenstoffen und knochenbildende Faktoren fördern.
Die Stoßwellentherapie wurde ursprünglich eingeführt, um Nieren- und Gallensteine ohne Operation zu entfernen. Was früher eine unvermeidliche Operation war, lässt sich nun in vielen Fällen mit extrakorporaler Stoßwellentherapie (ESWT) schonend behandeln.
Verschiedene Arten von Stoßwellen
Stoßwellen kommen mit unterschiedlich starker Energie zum Einsatz. Die niederenergetische Stoßwellentherapie findet ihre Anwendung vor allem in der Schmerztherapie, z. B. bei oberflächlichen Erkrankungen der Sehnen und des Sehnenansatzes, sog. Tendinopathien (Tennisarm, Achillodynie) und dem Fersensporn. Wiederholte Anwendung verstärkt die Wirkung der Stoßwellentherapie bei Bedarf.
Mittelenergetische Wellen dringen tiefer in den Körper ein und lindern vor allem die Beschwerden der Kalkschulter (Tendinosis calcarea). Wegen der bei Stoßwellenbehandlung auftretenden Schmerzen ist in der Regel eine örtliche Betäubung unerlässlich.
Hochenergetische Stoßwellen werden vor allem bei der Pseudarthrose (bindegewebige Fehlheilung von Knochen) eingesetzt, da hier größere Kräfte benötigt werden.
Wann wird die Stoßwellentherapie angewendet?
Anwendungsgebiete:
- Verkalkungen (z. B. Kalkschulter)
- Impingement der Schulter
- Sehnenansatzerkrankungen, z. B. Tennisarm, Golferellenbogen, Achillodynie
- oberer und unterer Fersensporn
- Plantarsehnenentzündung (Plantarfasziitis)
- Fersenschmerzen
- schlecht heilende Knochenbrüche
- Nieren- und Gallensteine
- Wundheilungsstörungen
Die Stoßwellentherapie kann in der Medizin auf viele Arten zum Einsatz kommen. Sie ist immer dann hilfreich, wenn der Arzt Gewebe in der Tiefe des Körpers ohne Operation behandeln will. Gerade die Orthopädie hat eine Vielzahl von Anwendungsgebieten für Stoßwellenbehandlungen entwickelt und erprobt.
Stoßwellentherapie kann nicht nur Verkalkungen zertrümmern, sondern auch Sehnenansatzentzündungen behandeln oder schlecht heilende Knochenbrüche regenerieren. Die Behandlung beschleunigt allgemein den Heilungsprozess in Geweben, weil sie die Bildung von körpereigenen Botenstoffen fördert.
Stoßwelle zur Therapie der Kalkschulter (Tendinosis calcarea)
Am häufigsten kommt die Stoßwellentherapie bei der Kalkschulter (Tendinosis calcarea) zum Einsatz. Diese Anwendung ist sehr gut untersucht. Verschiedene Studien haben die Wirksamkeit der Stoßwellentherapie bei dieser Schultererkrankung nachgewiesen. Die Behandlung eignet sich aber nicht für alle Formen der Kalkschulter. Wenn die herkömmlichen konservativen Behandlungen keine Wirkung zeigen, sollte man aber den Einsatz der Stoßwellentherapie als letzte Maßnahme vor einem operativen Eingriff in Betracht ziehen.
Stoßwelle zur Therapie von Fersensporn bzw. Plantarsehnenentzündung
Dies gilt auch für Entzündungen an der Fußsohle (Fasziitis plantaris) mit und ohne Fersensporn. Am Fersensporn wirkt die Stoßwellentherapie nachweislich ähnlich gut wie die lokale Kortisonbehandlung. Stoßwelle kommt allerdings ohne die schädlichen Nebenwirkungen von Kortison aus. Insbesondere verringert die Stoßwelle nicht das Fettpolster an der Ferse, anders als Kortison.
Stoßwelle zur Therapie von Tennisellenbogen (Epikondylitis) und Golferarm
Beim Tennisellenbogen (humeroradiale Epikondylopathie) zeigen zahlreiche Studien die gute Wirkung der Stoßwellentherapie. Zusätzlich empfehlenswert ist die Stoßwelle im Bereich nahezu aller Sehnenansatzerkrankungen, Schleimbeutelentzündungen im Ellenbogen (Bursitis) und weiterer möglicher Entzündungsherde.
Stoßwelle zur Therapie von Achillessehnenentzündungen (Achillodynie)
Auch bei Entzündungen an der Achillessehne (Achillodynie), am Knie (Patellasehnenentzündung oder Jumper´s Knee) sowie bei verkalkten Schleimbeutelentzündungen (Bursitiden) wird die Stoßwellentherapie erfolgreich eingesetzt.
Stoßwelle zur Behandlung von schlecht verheilenden Knochenbrüchen (Pseudarthrosen)
Stoßwellentherapie wirkt sehr zuverlässig bei der Behandlung der Pseudarthrose. Pseudarthrosen sind Fehlverheilungen von Knochenbrüchen. Dabei bildet sich statt neuem Knochen nur weiches Bindegewebe. Hochenergetische Stoßwellen lösen die Neubildung von Knochenkeimgewebe aus. Zudem haben Studien gezeigt, dass die Stoßwelle die Bildung von Wachstumshormonen (BGF) am Wirkort stimuliert. Der entstehende Knochenkeim (Kallus) stabilisiert den Knochenbruch und ermöglicht den Aufbau neuen Knochengewebes. Die Akademie der Wissenschaften in Österreich hat für die Pseudarthrosen inzwischen die Stoßwellentherapie zur Behandlungsform der ersten Wahl erklärt.
Nebenwirkungen der Stoßwellentherapie
Was versteht man unter einer Erstverschlimmerung?
Als Erstverschlimmerung nach einer Stoßwellenbehandlung bezeichnet man das Phänomen, dass sich die Symptome nach der Anwendung zunächst verschlimmern. Es können auch Schmerzen auftreten, die sich ähnlich wie ein Muskelkater anfühlen. Diese Beschwerden gehen in der Regel innerhalb eines Tages zurück.
- Schmerzen während oder nach der Behandlung
- Erstverschlimmerung der Beschwerden
- Hautrötung
- Hämatombildung
- Veränderung des Herzrhythmus
- Nebenwirkungen der Betäubung
Wann darf eine Stoßwellentherapie nicht angewendet werden?
Kontraindikationen der Stoßwellentherapie:
Auch wenn in oder hinter der Behandlungsregion Lungengewebe liegt, ist die Anwendung der Stoßwellentherapie ausgeschlossen. Ein Ausschlusskriterium für die Schulterverkalkung bildet ein Riss der Rotatorenmanschette.
Nachbehandlung und Ergebnisse der Stoßwellentherapie
In aller Regel benötigt der Patient keine Nachbehandlung. Wenn sich die Schmerzen kurz nach der Behandlung vorübergehend verstärken, kann man dagegen mit entzündungshemmenden oder schmerzstillenden Mitteln vorgehen. Bei der Behandlung der Kalkschulter empfiehlt sich zudem eine Schonung für ein bis zwei Tage. Vor allem sollte man Arbeiten vermeiden, bei denen die Hände über dem Kopf gehalten werden müssen. Eine Arbeitsunfähigkeit durch Stoßwellentherapie kommt bei den meisten Berufen nicht vor. Der Behandlungstermin kann im besten Fall auf einen Freitag gelegt werden, sodass das Wochenende als Ruhephase zur Verfügung steht. Eine abschließende Beurteilung des Behandlungserfolges sollte erst drei Monate nach der Behandlung stattfinden. Eine weitere Besserung kann auch noch später auftreten, denn eine Stoßwellentherapie wirkt sehr langanhaltend.
Kosten und Erstattung der Stoßwellenbehandlung (ESWT)
Kosten der ESWT (extrakorporale Stoßwellentherapie):
ESWT-Behandlungen kosten ca. 60–100 EUR pro Anwendung. Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten die Kosten meist noch nicht. ESWT kann dem Patienten zwar häufig eine Operationen ersparen, ist weitgehend nebenwirkungsfrei und kostet meist nur 30 % einer entsprechenden chirurgischen Behandlung, gehört aber dennoch nicht zum Leistungskatalog.
Trotz nachgewiesener Wirksamkeit der Stoßwellentherapie ist eine Erstattung in vielen Fällen erst auf Antrag möglich. Im Einzelfall beraten wir Sie gerne über Ihre Erstattungsmöglichkeiten oder bereiten mit Ihnen die Beantragung bei Ihrer Krankenkasse vor. In etlichen Fällen wird Stoßwelle als Selbstzahlerleistung (IGeL-Leistung) durchgeführt. Seit 2019 kann die Stoßwellentherapie allerdings zumindest bei der Behandlung von plantaren Fersenschmerzen über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden.
Stoßwelle ist risikofrei und es treten weniger Nebenwirkungen auf als bei Injektionen oder medikamentösen Behandlungen. Daher ist die Stoßwellentherapie aus der Sicht erfahrener Orthopäden ein unverzichtbarer Teil des orthopädischen Therapiespektrums.
Literaturangaben
- Alves, E. M., Angrisani, A. T. & Santiago, M. B. (2009). The use of extracorporeal shock waves in the treatment of osteonecrosis of the femoral head: a systematic review. Clinical rheumatology, 28, 1247–51.
- Chung, B. & Wiley, J. P. (2004). Effectiveness of extracorporeal shock wave therapy in the treatment of previously untreated lateral epicondylitis: a randomized controlled trial. The American journal of sports medicine, 32, 1660–7.
- Daecke, W., Kusnierczak, D. & Loew, M. (2002). [Extracorporeal shockwave therapy (ESWT) in tendinosis calcarea of the rotator cuff. Long-term results and efficacy]. Der Orthopäde, 31, 645–51.
- Di Resta, J. (2006). Effectiveness of extracorporeal shockwave treatment in 353 patients with chronic plantar fasciitis. Journal of the American Podiatric Medical Association, 96, 270–1; author reply.
- Everding, J., Freistühler, M., Stolberg-Stolberg, J., Raschke, M. J., & Garcia, P. (2017). Extrakorporale fokussierte Stoßwellentherapie zur Behandlung von Pseudarthrosen. Der Unfallchirurg, 120(11), 969–978.
- Haake, M., Deike, B., Thon, A. & Schmitt, J. (2001). [Value of exact focusing of extracorporeal shock waves (ESWT) in therapy of tendinitis calcarea. A prospective randomized study]. Biomedizinische Technik. Biomedical engineering, 46, 69–74.
- Lebrun, C. M. (2005). Low-dose extracorporeal shock wave therapy for previously untreated lateral epicondylitis. Clinical journal of sport medicine: official journal of the Canadian Academy of Sport Medicine, 15, 401–2.
- Mariotto, S., de Prati, A. C., Cavalieri, E., Amelio, E., Marlinghaus, E. & Suzuki, H. (2009). Extracorporeal shock wave therapy in inflammatory diseases: molecular mechanism that triggers anti-inflammatory action.. Current medicinal chemistry, 16, 2366–72.
- Mittermayr, R., Haffner, N., & Schaden, W. (2019). Extrakorporale Stoßwellentherapie. hautnah dermatologie, 35(2), 50–53.
- Scheuer, R. (2019). Grundlagen und Praxis der Stoßwellentherapie.
- Schofer, M. D., Hinrichs, F., Peterlein, C. D., Arendt, M. & Schmitt, J. (2009). High- versus low-energy extracorporeal shock wave therapy of rotator cuff tendinopathy: a prospective, randomised, controlled study. Acta orthopaedica Belgica, 75, 452–8.
- Schlüter, P. (2019). Die Krux mit der Abrechnung der Stoßwellentherapie. Orthopädie & Rheuma, 22(2), 53–53.
- Schweizer, E., & Sonder, C. (2018). Radiale Stosswellentherapie – gibt es einen positiven Langzeiteffekt bei chronischer Plantarfasziits?
- Seil, R., Wilmes, P. & Nührenbörger, C. (2006). Extracorporeal shock wave therapy for tendinopathies. Expert review of medical devices, 3, 463–70.
- Wild, C., Khene, M. & Wanke, S. (2000). Extracorporeal shock wave therapy in orthopedics. Assessment of an emerging health technology. International journal of technology assessment in health care, 16, 199–209.
- Zelle, B. A., Gollwitzer, H., Zlowodzki, M. & Bühren, V. (2010). Extracorporeal shock wave therapy: current evidence. Journal of orthopaedic trauma, 24 Suppl 1, 66–70.
- van Leeuwen, M. T., Zwerver, J. & van den Akker-Scheek, I. (2009). Extracorporeal shockwave therapy for patellar tendinopathy: a review of the literature. British journal of sports medicine, 43, 163–8.
- Deutschsprachige Internationale Gesellschaft für Extrakorporale Stoßwellentherapie e. V.