- Was ist eine Bandscheibenprothese und wie funktioniert sie?
- Indikationen: Wem hilft eine künstliche Bandscheibe?
- Versteifung oder Bandscheibenprothese: Was ist besser?
- Nachteile: Welche langfristigen Risiken hat eine Bandscheibenprothese?
- Operation: Wie wird eine künstliche Bandscheibe eingesetzt?
- Rehabilitation nach Einsatz einer Bandscheibenprothese
- Häufig gestellte Patientenfragen zur Bandscheibenprothese an den Rückenspezialisten PD Dr. David-Christopher Kubosch
Bandscheibenprothesen dienen dem Ersatz erkrankter Bandscheiben und werden vor allem an der Halswirbelsäule implantiert. Die künstliche Bandscheibe kommt oft zum Einsatz, wenn Bandscheibenvorfälle mit neurologischen Symptomen auftreten, wie Gefühlsstörungen oder Kraftverlust in den Armen. Andere Behandlungsmethoden wie konservative Ansätze, interventionelle Schmerztherapie oder endoskopische Operationen erzielen in solchen Fällen häufig nicht die gewünschten Ergebnisse. In diesen Fällen stellt die Bandscheibenprothese eine Alternative zur therapeutischen Versteifung der Wirbelsäule (Spondylodese) dar.
Was ist eine Bandscheibenprothese und wie funktioniert sie?
Eine Bandscheibenprothese soll die natürliche Bandscheibe ersetzen. Dazu muss man sich zunächst deren Aufbau und Aufgabe vor Augen führen: Die Bandscheiben liegen zwischen den Wirbelkörpern. Sie sind über ihre Ober- und Unterseite mit den benachbarten Deckflächen der Wirbelkörper verbunden. Jede Bandscheibe hat einen elastischen Faserring aus Bindegewebe (Anulus fibrosus) und einen gelartigen Kern (Nucleus pulposus). Sie bestehen bis zu 90 % aus Wasser und wirken wie ein Wasserkissen. Dadurch kann die Bandscheibe nicht nur Stöße beim Gehen oder Springen abfedern. Sie ermöglicht durch ihre Flexibilität auch die Bewegung der Wirbelsäule in alle Richtungen.
Im Verlauf der Jahre nimmt der Wasseranteil der Bandscheibe ab, die Wasserkissen werden niedriger und der Mensch kleiner. Durch die degenerativen Veränderungen verringert sich auch die stoßdämpfende Wirkung der Bandscheibe. Das wiederum begünstigt den Verschleiß der benachbarten Wirbelkörper, es droht eine schmerzhafte Spondylose. An der Bandscheibe selbst kann es durch Abnutzung zu Rissen im Faserring kommen, die Bandscheibenvorwölbungen (Protrusion) oder Bandscheibenvorfälle (Prolaps) zur Folge haben.
Solche Bandscheibenschäden werden zunächst meist konservativ, mithilfe der interventionellen Schmerztherapie oder endoskopisch behandelt. Bei sehr ausgeprägten Beschwerden gibt es zudem die Möglichkeit, die Bandscheibe zu entfernen und mit einer Prothese zu ersetzen. Das gilt auch für die Fälle, in denen eine schwer geschädigte Bandscheibe nicht mehr erhalten werden kann.
Was soll mit dem Bandscheibenersatz erreicht werden?
Mit dem Ersatz einer degenerierten Bandscheibe durch eine Prothese sollen die mit Bandscheibendegeneration und Bandscheibenvorfall einhergehenden Beschwerden wie Rückenschmerzen und neurologische Ausfälle gelindert werden. Außerdem möchte man mit der Prothese so gut wie möglich die Funktion der natürlichen Bandscheibe wiederherstellen.
Dies sind die Operationsziele im Einzelnen:
- Rückbildung der neurologischen Symptomatik (Lähmung, Gefühlsverlust, Muskelschwäche)
- Normalisierung von schmerzhaften Nervenkompressionen (Radikulopathie)
- Verbesserung der Beweglichkeit und Belastbarkeit von Nacken- oder Lendenwirbelsäule
- Verbesserung der Rotationsfähigkeit der Nacken- und Lendenwirbelsäule
- Entlastung und Verbesserung der Funktion der Facettengelenke (kleine Wirbelgelenke) durch vollbewegliche Bandscheibenprothesen
- langfristige Stabilisierung der Wirbelsäule
- Schutz der anliegenden Wirbelsäulensegmente vor Degeneration
Wie ist eine Bandscheibenprothese aufgebaut?
Um diese Ziele zu erreichen, muss die Bandscheibenprothese speziell aufgebaut sein. Entwickelt und eingesetzt wurden die ersten Bandscheibenprothesen in den 1960er-Jahren. Dabei handelte es sich um Edelstahlkugeln, die allerdings zu vielen Problemen führten, z. B. zu einer Überbeweglichkeit der Wirbelsäule.
Im Verlauf der Zeit wurde das Prothesendesign verbessert und verfeinert. Heute gibt es Bandscheibenprothesen sowohl für die Halswirbelsäule als auch für die Lendenwirbelsäule (HWS-Prothese bzw. LWS-Prothese). Die Hersteller verwenden verschiedene Biomaterialien, meist als Metall-Kunststoff-Paarung. Die oberen und unteren Endplatten bestehen z. B. aus Titan oder einer Cobalt-Chrom-Molybdän-Mischung, der Innenteil (Kern) aus Polycarbonurethan oder Polyurethan.
Unterschiede gibt es bei den modernen Prothesen für die HWS nicht nur in puncto Material, sondern auch in der Beweglichkeit. Bandscheibenprothesen mit fest fixiertem Kern ermöglichen die Bewegung der HWS nach vorne und hinten sowie eine Seitneigung. Bei Prothesen mit einem frei beweglichen Kern sind dazu noch Drehbewegungen möglich. Auch die Möglichkeit der Dämpfung variiert zwischen den einzelnen Produkten.
Beispiel für eine Bandscheibenprothese: M6-Prothese
Eine der verschiedenen Bandscheibenprothesen ist die M6-Prothese. Ihr Innenteil besteht aus Polycarbonaturethan, der dem Faserring nachempfundene Bereich aus Polyethylen. Ober- und Unterplatte sind aus Titan gefertigt und sollen deshalb besonders gut an die Deckplatten der Wirbelkörper anwachsen. Die M6-Bandscheibenprothese ist darauf ausgelegt, in allen Bewegungsrichtungen beweglich zu sein. Diese Beweglichkeit kann den Verschleiß der Bandscheibenprothese reduzieren. Die hohe Beweglichkeit soll auch Hebelwirkungen reduzieren, die nach Versteifung oder Verwendung eines weniger beweglichen Implantats in Richtung der benachbarten Wirbel wirken. Auch die Belastung der Facettengelenke (der kleinen Wirbelgelenke) durch die Bandscheibenprothese wird vermindert.
Indikationen: Wem hilft eine künstliche Bandscheibe?
Bandscheibenprothesen kommen infrage, wenn konservative oder interventionelle bzw. operative Verfahren die Beschwerden bei leichter Bandscheibendegeneration oder leichtem Bandscheibenvorfall nicht lindern können. Am häufigsten werden künstliche Bandscheiben im Halswirbelbereich implantiert. Das liegt u. a. daran, dass der Verlust der Bandscheibenfunktion im Halsbereich sehr viel schneller zu Schmerzen und neurologischen Problemen (Gefühlstaubheit, Lähmung) führt als im Bereich der Lendenwirbelsäule.
Bandscheibenprothesen im Bereich der Halswirbelsäule
Häufigster Anlass für die Implantation einer HWS-Bandscheibenprothese ist der Vorfall einer einzelnen Bandscheibe in der HWS, den man weder endoskopisch noch minimalinvasiv-chirurgisch behandeln kann. Löst dieser HWS-Bandscheibenvorfall eine Radikulopathie mit ausgeprägter Kraftminderung in den Händen oder Armen aus, besteht eine absolute Indikation. Das bedeutet, die OP ist dringend geboten.
Weitere Einsatzgebiete an der HWS sind die Behandlung einer zervikalen Myelopathie, die Radikulopathie bei Stenose der Zwischenwirbellöcher oder die Behandlung der Anschlussdegeneration nach vorheriger Versteifung. Ob die künstliche Bandscheibe hier wirklich eine Option ist, wird allerdings kritisch diskutiert.
Bandscheibenprothesen im Bereich der Lendenwirbelsäule
Im LWS-Bereich ist man deutlich zurückhaltender mit der Implantation einer künstlichen Bandscheibe. Das liegt u. a. daran, dass die Lendenwirbelsäule einer besonders hohen Belastung ausgesetzt ist. Häufig sind neben der Bandscheibe auch die Wirbelgelenke geschädigt. Implantiert man in diesen Fällen eine Bandscheibenprothese, kann die vermehrte Beweglichkeit die Schmerzen des Patienten sogar verstärken. Außerdem ist die Implantation einer Bandscheibe an der LWS sehr viel aufwendiger als an der HWS und mit höheren Risiken verbunden. Schlussendlich gibt es bisher keine Studien, die beim Bandscheibenvorfall der LWS den Nutzen der Bandscheibenprothese gegenüber herkömmlichen Verfahren belegen.
Für manche Wirbelsäulenchirurgen ist die schwere Osteochondrose im Bereich der beiden unteren Bewegungssegmente (L4/5, L5/S1) der Lendenwirbelsäule ein mögliches Einsatzgebiet für die künstliche Bandscheibe. Vom Einsatz der Bandscheibenprothese zur Behandlung eines LWS-Bandscheibenvorfalls mit Radikulopathie rät die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie in ihrer Leitlinie ab.
Voraussetzung für den Einsatz einer künstlichen Bandscheibe
Damit das Einsetzen einer künstlichen Bandscheibe langfristig erfolgreich ist, müssen beim Patienten einige Voraussetzungen gegeben sein.
- gesunde Knochensubstanz (keine Osteoporose)
- nur wenig ausgeprägte degenerative Veränderungen der benachbarten Wirbelkörper
- bewegliche Wirbelkörper im betroffenen Segment
- intakte Facettengelenke, intakte Bandstrukturen
- Zwischenwirbelraum der degenerierten Bandscheibe mindestens 3 mm hoch
Ob ein Patient für das Einpflanzen einer künstlichen Bandscheibe geeignet ist, prüft der Rückenspezialist im Rahmen der Voruntersuchung. Dazu gehören vor allem die gründliche körperliche Untersuchung mit Prüfung des Bewegungsausmaßes der Wirbelsäule.
Außerdem erhebt der Arzt den neurologischen Befund. Dabei testet er, ob der Patient in den Armen oder Händen eine Kraftminderung oder Gefühlsstörungen aufweist oder ob sogar Lähmungen vorliegen. Bildgebende Verfahren wie das konventionelle Röntgen, CT und MRT zeigen, wie stark die benachbarten Wirbelkörper betroffen sind, ob Wirbelsäulendeformitäten oder eine Facettengelenksarthrose vorliegen und wie hoch der Zwischenwirbelraum ist.
Radiologische Befunde allein reichen nicht!
Wichtig für alle Patienten, die mit Schmerzen und Beeinträchtigungen nach Bandscheibenerkrankung den Wirbelsäulenexperten aufsuchen: Eine mögliche operative Behandlung wird stets durch das Befinden des Patienten begründet. Manche Patienten haben auch mit verminderter Bandscheibenhöhe ein gutes Allgemeinbefinden. Hier wird nur physiotherapeutisch und präventiv behandelt. Aus dem radiologischen Bild der Wirbelsäule alleine kann ein Arzt die Empfehlung einer operativen Behandlung also nicht ableiten. Entscheidend sind die Schmerzen, Lähmungen und Bewegungseinschränkungen, die behandelt werden müssen.
Kontraindikationen
In der Regel ist eine Bandscheibenprothese dann anwendbar, wenn der Patient lediglich an einer "einfachen" Bandscheibendegeneration mit Bandscheibenvorfall leidet. Bei stärkeren Veränderungen der Wirbelsäule besteht ein hohes Risiko, dass das Einsetzen einer künstlichen Bandscheibe nicht erfolgreich ist.
Die Bandscheibenprothese kann daher nicht bei allen Bandscheibenvorfällen in Erwägung gezogen werden: Die meisten Verschleißerkrankungen und Erkrankungen der Wirbelsäule stellen relative oder absolute Kontraindikationen gegen die Implantation einer Bandscheibenprothese dar. Dazu gehören
- entzündliche Erkrankungen (Rheuma, Infektionen), Morbus Bechterew,
- manifeste Osteoporose,
- Tumorerkrankungen,
- Instabilitäten nach Wirbelsäulenoperationen (z. B. Postlaminektomiesyndrom),
- Deformitäten der Wirbelkörper, traumatisch veränderte Wirbelkörper,
- Spinalkanalstenose,
- Spondylolisthese,
- Spondylose und
- vorangeschrittene Facettengelenksarthrose/Spondylarthrose.
Wenn diese Kontraindikationen (Gegenanzeigen) vorliegen, sollte keine Bandscheibenprothese eingesetzt werden. Nach strenger Anwendung aller Gegenanzeigen eigneten sich in einigen Studien nur 5 % aller Kandidaten für eine Wirbelkörperversteifung auch für eine Bandscheibenprothese. Damit ist die Bandscheibenprothese sicher noch keine Regelbehandlung.
Versteifung oder Bandscheibenprothese: Was ist besser?
Entwickelt wurde die Bandscheibenprothese vor allem als Alternative zur Versteifungsoperation (Spondylodese) an der Halswirbelsäule. Bei der Versteifung verbindet der Chirurg die Wirbelkörper über und unter der entfernten Bandscheibe miteinander. Dadurch verlieren sie ihre Beweglichkeit, was die angrenzenden Wirbelsäulensegmente stärker belastet. Denn der steife Abschnitt in dem hochbeweglichen System der Wirbelsäule ändert die Kraftübertragung innerhalb des Rückgrates. Die resultierende Hebelwirkung überlastet und verschleißt potenziell als nächstes die Bandscheiben in den benachbarten Segmenten (Anschlussdegeneration).
Moderne Bandscheibenprothesen sollen die Beweglichkeit der betroffenen Segmente erhalten. Auf diese Weise werden degenerative Prozesse in den Nachbarbereichen minimiert. In der Praxis gibt es aber noch wenig wissenschaftliche Belege, dass die bewegliche Versorgung mit der Bandscheibenprothese im Vergleich zur bewährten Versteifung tatsächlich klinische Vorteile bringt.
Auch die Vermeidung der Anschlussdegeneration in benachbarten Segmenten ist bisher eine biomechanisch zwar plausible Annahme, wurde aber aufgrund der noch kurzen Standzeiten der Bandscheibenprothesen klinisch noch nicht schlüssig nachgewiesen. Mittlerweile gibt es auch Hinweise darauf, dass diese degenerativen Prozesse nicht nur vom Behandlungsverfahren (Versteifung oder Prothese) abhängen, sondern auch von einer genetischen Veranlagung.
Deutliche Vorteile für die Prothese sehen die Rückenspezialisten der Gelenk-Klinik in der dynamischen Versorgung jüngerer, aktiver Patienten. Bei dieser Patientengruppe kann die dynamische Bandscheibenprothese die theoretisch zu erwartenden Vorteile am besten ausspielen. Das ist aber eine relativ kleine Patientengruppe. Bei den überwiegend älteren Patienten mit Bandscheibendegeneration ist die altersgemäße Versteifung der Wirbelsäule so weit vorangeschritten, dass die Prothese wenig zusätzliche Vorteile bringt. In diesen Fällen ist die Versteifung vorzuziehen.
Ob bei einem Bandscheibenvorfall der HWS mit Nervenbeschwerden die Versteifung oder die Bandscheibenprothese besser ist, lässt sich pauschal nicht beurteilen. Zahlreiche Studien kommen zu dem Urteil, dass sich die beiden Methoden in Bezug auf klinische Ergebnisse, Komplikationen, Anschlussdegenerationen oder Notwendigkeit einer zweiten Revisionsoperation nicht unterscheiden, heißt es in der entsprechenden Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie.
Nachteile: Welche langfristigen Risiken hat eine Bandscheibenprothese?
Künstliche Bandscheiben sind erst seit ca. 20 Jahren in der medizinischen Anwendung. In diesem Zeitraum befanden sich die Bandscheibenprothesen in einer stetigen Entwicklung. Daher lässt sich auch noch nicht sagen, ob langfristig, d. h. noch Jahrzehnte nach der Operation, das erwünschte Ziel erreicht wird: Schmerzreduktion und Beweglichkeit, ohne dass es zu einer Degeneration und Instabilität benachbarter Segmente kommt.
Bisherige Studien zeigen, dass die Ergebnisse nach einigen Jahren zumindest nicht schlechter sind als bei einer Versteifungsoperation. Das macht Hoffnung, dass in wenigen Jahren das Befinden der Vergleichsgruppe von Patienten mit Bandscheibenprothese wesentlich besser ist als nach einer Wirbelsäulenversteifung. Die langfristige Haltbarkeit der Bandscheibenprothese in der alternden Wirbelsäule, wenn die Knochenqualität durch Entmineralisierung (Osteoporose) immer schlechter wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Bei Osteoporose und Instabilität der Wirbelsäule wird die Bandscheibenprothese daher nicht empfohlen.
Langfristig können folgende Komplikationen nach dem Einsetzen der Prothese auftreten:
- Lockerung der Prothese: Die Loslösung der Bandscheibe aus dem Bereich zwischen den Wirbelkörpern ist eine der wichtigsten Komplikationen. In solch einem Fall muss die Bandscheibenprothese ausgebaut und der betroffene Wirbelsäulenbereich nachfolgend versteift werden. Bei früheren Modellen kam es in der Tat häufiger zu solch einer Lockerung oder einem Verrutschen der künstlichen Bandscheibe. Die modernen Prothesen mit ihren speziellen Ober- und Unterplatten wachsen jedoch besser an die benachbarten Wirbelkörper an. Deshalb werden Lockerungen oder Verrutschen heute deutlich seltener beobachtet.
- Verknöcherung der Prothese: Wird die künstliche Bandscheibe knöchern umbaut, geht ihre Beweglichkeit verloren. Dies kommt bei etwa 25 bis 30 % der Patienten vor. Im Ergebnis ist der Patient dann ebenso gestellt wie bei der Durchführung einer Versteifungsoperation, hat aber vorher die Perspektive einer erhaltenen Beweglichkeit über mehrere Jahre.
- Materialversagen und Allergie: Wenn das Material der Bandscheibenprothese versagt, wird der Patient in diesem Segment instabil. Manchmal verträgt ein Patient das eingepflanzte Material auch nicht oder entwickelt eine Allergie auf die Komponenten. In all diesen Fällen kann eine nachfolgende Versteifungsoperation erforderlich werden.
Operation: Wie wird die künstliche Bandscheibe eingesetzt?
Das Einpflanzen einer künstlichen Bandscheibe an der HWS erfolgt immer in Vollnarkose und unter Beatmung über einen flexiblen Kunststoffschlauch (Endotrachealtubus). Der Patient liegt auf dem Rücken, der Kopf meist in einer Schale oder einem Ring gebettet. Nach Intubation und Lagerung prüft der Wirbelsäulenchirurg mittels Durchleuchten, ob die Wirbelsäule achsgerecht gelagert ist.
Nach Desinfektion der Haut erfolgt der Hautschnitt auf der rechten oder linken vorderen Seite des Halses. Der Chirurg arbeitet sich Schicht für Schicht vorsichtig bis zur Wirbelsäule vor, um weder Nerven noch Gefäße zu verletzen. Unter Zuhilfenahme einer Lupenbrille oder eines Mikroskops wird die betroffene Bandscheibe mit Fasszange, Löffel und Kürette (chirurgisches Instrument zum Abtragen von Gewebe) entfernt. Hierbei muss der Chirurg gut darauf achten, dass er die Endplatten der benachbarten Wirbelkörper nicht verletzt.
Um die richtige Prothesengröße und deren Positionierung zu bestimmen, bringt der Chirurg verschiedene Probeimplantate in den Zwischenwirbelraum ein und prüft den Sitz unter Durchleuchtung. Danach wird die passende Prothese implantiert und ihre Lage röntgenologisch kontrolliert. Die Wunde wird gespült, evtl. eine Wunddrainage gelegt und dann in mehreren Schichten (Muskelschicht, Unterhaut, Haut) verschlossen. Aus kosmetischen Gründen erfolgt der Hautverschluss meist mit Fibrinkleber oder Intrakutannaht (Hautnaht unter der Hautoberfläche).
Die Dauer der Operation beträgt etwa eine bis zwei Stunden. Danach kommt der Patient in den Aufwachraum, wo seine Vitalfunktionen weiter kontrolliert und postoperative Schmerzen behandelt werden. Einige Stunden später verlegt man ihn auf die Normalstation.
Video: Einbringen der lumbalen Bandscheibenprothese (Lendenwirbelsäule)
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Video: Operation der zervikalen Bandscheibenprothese (Halswirbelsäule)
Externer Inhalt von youtube.com
Komplikationen und Operationsrisiken
Wie bei allen Operationen kann es auch beim Einsetzen einer Bandscheibenprothese zu Komplikationen kommen. Diese seltenen, aber möglichen Komplikationen erklärt der Wirbelsäulenchirurg neben den langfristigen Risiken (siehe oben) ausführlich im Aufklärungsgespräch. Generell geht man davon aus, dass das Implantieren einer künstlichen Bandscheibe nicht häufiger zu Komplikationen führt als eine Versteifungsoperation.
Die anzusprechenden Risiken beinhalten allgemeine Operationsrisiken und Risiken aufgrund des speziellen Eingriffs und dessen Lokalisation an der Halswirbelsäule:
- Lagerungsschäden (Druck auf Gewebe, Nerven oder Gefäße durch die Lagerung)
- Verletzung von Luftröhre oder Speiseröhre durch die Intubation (sehr selten)
- intraoperative Blutungen, vermehrtes Nachbluten, Entwicklung eines Hämatoms (etwa 5 % der Fälle, in ausgeprägten Fällen kann es zu Schluckstörungen und Atemnot kommen)
- Wundheilungsstörungen, Wundinfekt (sehr selten)
- Verletzung verschiedener Nerven während der Operation: Stimmbandlähmung und Heiserkeit (10 % der Fälle, betroffen ist der N. laryngeus recurrens), Pupillenverengung und Herabhängen des Augenlides der gleichen Seite (sehr selten, betroffen sind Fasern des autonomen Nervensystems), Lähmungen oder Querschnittsyndrom (sehr selten, betroffen ist die Nervenwurzel oder der Spinalnerv)
- Verletzung von Speiseröhre oder Luftröhre während des Eingriffs (sehr selten)
- Infekt der Prothese mit nachfolgendem Ausbau und Versteifungsoperation (sehr selten)
- Fehllagerung des Implantats nach hinten (selten): Verschlechterung der neurologischen Probleme
- Fehllagerung des Implantats nach vorne (selten): Schluckstörungen
Rehabilitation nach Einsatz einer Bandscheibenprothese
In der Regel gibt es nach der Operation einer Bandscheibenprothese keine starken Einschränkungen für den Patienten. Meist ist am OP-Tag schon wieder ein selbstständiges Gehen möglich. Der stationäre Aufenthalt nach der Operation einer Bandscheibenprothese dauert 2–5 Tage, währenddessen erfolgt auch die erste Röntgenkontrolle. Eine Orthese ist nach dem Einsetzen einer Bandscheibenprothese im Halsbereich in der Regel nicht erforderlich.
Innerhalb der ersten sechs Wochen nach Implantation der HWS-Prothese soll der Patient noch keine aktivierende Krankengymnastik erhalten, damit die Prothese in Ruhe sicher einheilt. Auch das Heben und Tragen von Lasten über 10 Kilogramm ist zu vermeiden. Frühestens sechs bis spätestens zwölf Wochen nach OP darf der Patient seine Halswirbelsäule belasten. Ab etwa der 6. Woche beginnt die mobilisierende Krankengymnastik. Besonders empfehlenswert ist eine Rehabilitation zum gezielten Aufbau der Stützmuskulatur.
Spätestens drei Monate nach dem Eingriff wird der Sitz der Prothese ein weiteres Mal mit einer Röntgenaufnahme kontrolliert. Danach ist auch wieder Sport möglich. Welche Sportarten erlaubt sind und in welchem Ausmaß, muss der Patient mit dem behandelnden Arzt besprechen.
Im Fall einer LWS-Prothese sollte über ca. sechs Wochen ein weiches Spezialkorsett getragen werden. Danach ist eine Belastungsfähigkeit für den beruflichen und sportlichen Alltag in der Regel wieder gegeben.
Häufig gestellte Patientenfragen zur künstlichen Bandscheibe an PD Dr. med. David-Christopher Kubosch
Welche Ärzte sind Experten für die Implantation einer künstlichen Bandscheibe?
Die Implantation einer Bandscheibenprothese ist insbesondere Aufgabe der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie, die sich auf Wirbelsäulenchirurgie spezialisiert haben. Auch auf die Wirbelsäule spezialisierte Neurochirurgen sind Experten für künstliche Bandscheiben. Bei der Suche nach einem Chirurgen ist es wichtig, dass dieser über eine hohe Expertise und viel Erfahrung auf dem Gebiet der Bandscheibenprothetik verfügt.
Wie lange bin ich nach einer Bandscheibenprothesen-Operation krankgeschrieben?
Beim Ersatz einer Bandscheibe im HWS-Bereich ist der Betroffene meist sehr schnell wieder auf den Beinen. Wie lange die Krankschreibung erforderlich ist, hängt von der ausgeübten Tätigkeit ab. Bei körperlich stark belastenden Berufen dauert sie länger. Bei Bürotätigkeiten ist der Betroffene meist nach vier Wochen wieder fit für die Arbeit.
Nach welcher Operation erholt man sich schneller, nach der Bandscheibenprothesen-OP oder nach der Spondylodese?
Bezüglich der Rehabilitation nach dem Eingriff scheint die Implantation einer künstlichen Bandscheibe günstiger zu sein als eine Versteifungsoperation. Es gibt Hinweise darauf, dass sich der Betroffene mit Prothese schneller erholt.
Was ist besser, die Bandscheibenprothese oder die Versteifung?
Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Bei deutlicher Degeneration der Wirbelkörper oder gleichzeitig vorliegenden Wirbelsäulenerkrankungen ist eine Versteifungsoperation eher geeignet, die Beschwerden des Patienten zu lindern. Der Vorfall einer einzelnen Bandscheibe im HWS-Bereich mit Nervenbeteiligung bei einem jungen Patienten ohne degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule ist eher ein Fall für die Prothese. Die Beurteilung des Einzelfalls und die Erfolgsaussichten müssen immer individuell vom behandelnden Rückenspezialisten bewertet werden.
Wann darf man nach Einbau einer Bandscheibenprothese Sport treiben?
Sport ist erlaubt, wenn die Bandscheibe gut eingeheilt ist und ihr Sitz mithilfe des Röntgens kontrolliert wurde. In der Regel ist das nach etwa zwölf Wochen der Fall. Ob und in welchem Ausmaß ein körperliches Training aufgenommen werden darf, entscheidet der behandelnde Arzt im Einzelfall.
Ist man mit einer künstlichen Bandscheibe schwerbehindert?
Eine korrekt sitzende und funktionierende künstliche Bandscheibe verbessert die Dynamik und Stabilität der Wirbelsäule. Eine Schwerbehinderung liegt deshalb beim Tragen einer Bandscheibenprothese nicht vor.
Wie lange hält eine Bandscheibenprothese?
Nach komplikationslosem Einbau und bei gutem Sitz geht man davon aus, dass sich die künstliche Bandscheibe kaum abnutzt, also Jahrzehnte hält. Allerdings kann es nach längerer Zeit zu knöchernen Umbauten kommen, die die Beweglichkeit der Prothese reduzieren. Genaue Erfahrungswerte dazu gibt es bisher noch nicht.
Zahlt die Krankenkasse die Implantation einer Bandscheibenprothese?
Wenn die Prothese medizinisch indiziert ist, übernimmt die gesetzliche Krankenkasse auch die Kosten für den Eingriff.
Aus welchem Material sind künstliche Bandscheiben?
Künstliche Bandscheiben bestehen meist aus Metallplatten und einem Kunststoffkern dazwischen. Verschiedene Materialien haben sich dabei bewährt, z. B. Titan, Cobalt-Chrom-Molybdän, Polyurethan und Polycarbonurethan.
Kann man im Lendenwirbelsäulenbereich eine Bandscheibenprothese einsetzen?
Prinzipiell kann man auch im Lendenwirbelsäulenbereich eine künstliche Bandscheibe einsetzen. Allerdings ist man dort sehr viel zurückhaltender als an der Halswirbelsäule. Häufig ist eine Versteifungsoperation für die Patienten langfristig besser als eine künstliche Bandscheibe. Im Einzelfall entscheidet dies der behandelnde Arzt.
Wie belastbar ist eine künstliche Bandscheibe?
Nach dem Einheilen ist eine künstliche Bandscheibe grundsätzlich belastungsstabil, Einschränkungen sind in der Regel nicht zu erwarten.
Kann eine Bandscheibenprothese verrutschen?
Früher kam es eher dazu, dass sich künstliche Bandscheiben gelockert haben oder verrutscht sind. Bei den modernen Materialien und der ausgefeilten Technik passiert das heute seltener. Voraussetzung für einen guten Sitz der Prothese ist ihre optimale Anpassung und das Vermeiden technischer Fehler beim Einbau.
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- Zechmeister I, Winkler R, Mad P (2011). Artificial total disc replacement versus fusion for the cervical spine: a systematic review. Eur Spine J 20:177–184
- Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Sektion Wirbelsäule der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) und Deutsche Wirbelsäulengesellschaft (DWG):S2k Leitlinie zur konservativen, operativen und rehabilitativen Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik, AWMF-Registernummer: 033-048.